Sterbehilfe

I. Einführung 

Der Bezeichnung Sterbehilfe unterliegt eine grundlegende begriffliche Unterscheidung. Zum einen kann mit Sterbehilfe "Hilfe im Sterben", d. h. "Sterbebeistand" oder "Sterbebegleitung" gemeint sein. Sterbehilfe in diesem Sinne besteht in der Unterstützung Sterbender durch Pflege, schmerzlindernde Behandlung sowie menschliche Zuwendung und ist als dringendes Erfordernis im Umgang mit Sterbenden unumstritten. Zum anderen kann mit Sterbehilfe aber auch "Hilfe zum Sterben" gemeint sein. Sterbehilfe meint dann das Töten oder Sterbenlassen eines sterbenden, schwer kranken oder leidenden Menschen aufgrund seines eigenen, ausdrücklichen oder mutmaßlichen Verlangens oder Interesses.

Die Frage nach einer "Hilfe zum Sterben" wird mit Blick auf unterschiedliche Situationen diskutiert. In dieser Diskussion werden häufig vier Formen von Sterbehilfe im Sinne einer "Hilfe zum Sterben" unterschieden:

  1. "Sterbenlassen" / "Passive Sterbehilfe": Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen (unter Beibehaltung von "Grundpflege" und schmerzlindernder Behandlung),
  2. "Indirekte Sterbehilfe" / "Indirekte aktive Sterbehilfe": Schmerzlindernde Behandlung unter Inkaufnahme eines (nicht intendierten) Lebensverkürzungsrisikos,
  3. "Beihilfe zur Selbsttötung" / "Freitodbegleitung" / "Assistierter Suizid": Hilfeleistung zur Selbsttötung z.B. durch Beschaffung und Bereitstellung des tödlichen Medikaments,
  4. "Aktive Sterbehilfe" / "Direkte aktive Sterbehilfe" / "Tötung auf Verlangen": Absichtliche und aktive Beschleunigung oder Herbeiführung des Todeseintritts: im Gegensatz zur indirekten Sterbehilfe ist der Tod nicht nur in Kauf genommen, sondern beabsichtigt. Im Gegensatz zur Beihilfe zur Selbsttötung liegt die letztentscheidende Tatherrschaft nicht bei Betroffenen selbst, sondern bei Dritten.

Das Bedeutungsspektrum des Begriffs Sterbehilfe ist weit. Es umfasst Sterbende, schwer oder unheilbar (körperlich oder seelisch) Erkrankte, die unerträglich leiden oder die im Weiterleben keinen Sinn mehr sehen und die deshalb den dringenden Wunsch nach "Erlösung" durch Sterbehilfe äußern. Genau so schließt es dauerhaft bewusstlose oder bereits in der Endphase ihrer Erkrankung bewusstseinsgetrübte Patient*innen ein, die sich nicht mehr selbst zu einem "medizin-technisch" möglichen, aber therapeutisch fragwürdigen Einsatz lebensverlängernder Maßnahmen bzw. deren Abbruch äußern können. Es reicht bis hin zu noch nicht äußerungsfähigen, schwerst geschädigten Neugeborenen, deren Lebenserwartung sehr gering ist oder deren Leben mit großen Qualen verbunden sein wird.

Jedoch werden nicht alle Formen des "Sterbenlassens" unter den Stichworten "Sterbehilfe" oder "Euthanasie" zusammengefasst. Jeder therapeutische, palliative (d.h. schmerzlindernde) oder lebensverlängernde Eingriff bedarf der Zustimmung der zu behandelnden Person. Will diese einen Eingriff nicht und führt die Unterlassung zu ihrem frühzeitigen Tod, so muss nach weitverbreiteter Auffassung dem jeweiligen "Recht auf einen natürlichen Tod" Rechnung getragen werden.

Aus medizinethischer Sicht gibt es zwar eine grundsätzliche Verpflichtung der Ärzt*innen Leben zu erhalten, aber nicht unter allen Umständen; darüber hinaus können lebensverlängernde Maßnahmen dann nicht verpflichtend sein, wenn sie ineffektiv sind, wenn ihre Wirksamkeit zweifelhaft ist oder, wenn sie für Betroffene ein unverhältnismäßig großes Leiden verursachen. Hier wird sowohl aus medizinischer als auch aus moralischer Sicht die Unterscheidung zwischen der Verwendung von gewöhnlichen und außergewöhnlichen Behandlungsmitteln diskutiert.

II. Ethische Aspekte

In der Auseinandersetzung über die Zulässigkeit der Sterbehilfe und ihrer einzelnen Formen spielt eine Vielzahl unterschiedlicher ethischer Aspekte eine Rolle. Dabei lassen sich vor allem folgende zentrale Diskussionsfelder ausmachen:

Die Frage der Zulässigkeit der Selbsttötung

Die Einschätzung, dass das Töten eines Menschen auf sein eigenes Verlangen hin zulässig ist, setzt die Einstellung voraus, dass ein Mensch sein eigenes Leben überhaupt gezielt verkürzen darf. Ob er dies aber darf, und wenn ja, unter welchen Umständen, ist umstritten. Das Recht des Menschen auf Selbstbestimmung über Leben und Tod wird in der Diskussion unterschiedlich stark eingeschränkt. Hierbei lassen sich zwei Ansätze unterscheiden:

Vertretende des ersten Ansatzes gehen von einer "Unantastbarkeit" oder "Heiligkeit" des menschlichen Lebens aus. Das menschliche Leben ist damit nicht nur für andere nicht verfügbar, sondern auch für die Betreffenden selbst. Diese Auffassung wird nicht zuletzt in der jüdisch-christlichen Tradition vertreten und wird insbesondere von den Kirchen vorgebracht. Der angeführte Grund ist, dass das Leben gottgegeben ist und daher allein Gott die "Herrschaft über Leben und Tod" zukommt. Deshalb muss das Leben, wenn es ohnehin bereits erlischt, zwar nicht "um jeden Preis" verlängert werden, seine aktive Verkürzung durch Selbsttötung ist jedoch als Verstoß gegen die göttliche Souveränität unzulässig. Wohl kann in solchen Fällen eine Minderung der subjektiven Verantwortungsfähigkeit gegeben sein. Auf der Basis dieses Ansatzes können zwar u. U. die passive wie auch die indirekte Sterbehilfe im Falle eines Menschen zulässig sein, bei dem der Sterbeprozess schon eingesetzt hat. Keinesfalls aber soll die Beihilfe zur Selbsttötung oder die aktive Sterbehilfe erlaubt sein.

Dagegen wird prinzipiell aus rechtsethischer Perspektive eine Argumentationslast vorgehalten, d. h., dass in einer freiheitlichen Rechtsordnung ein Verbot wie das der Sterbehilfe nur dann eingefordert werden darf, wenn hierfür Gründe angeführt werden können, die weltanschaulich neutral und damit für jede*n nachvollziehbar sind.

In ihrer inhaltlichen Argumentation, die sich ebenfalls gegen das Argument der generellen Unverfügbarkeit menschlichen Lebens richtet, verweisen Anhängende des zweiten Ansatzes auf das Vermögen des Menschen, sich in seinem Handeln selbst zu bestimmen. In dieser Fähigkeit zur Selbstbestimmung ist die Begründung der Menschenwürde zu sehen. So ist mit der Fähigkeit auch die Pflicht verbunden, diese Würde zu schützen. Vor diesem Hintergrund besteht zudem eine Pflicht, menschliches Leben vor lebensgefährdenden Eingriffen durch Dritte zu schützen, da das Leben die Voraussetzung für menschliche Selbstbestimmung ist. Jedoch kann eine selbstbestimmte Verkürzung des eigenen Lebens, ob aktiv oder passiv, um willen der menschlichen Würde nicht unbedingt verboten werden. Dies gilt entsprechend auch für alle Formen der freiwilligen Sterbehilfe. Bedingung ist, dass die Entscheidung in einem entscheidungsfähigen Zustand und in zutreffender Kenntnis aller Umstände wohlüberlegt getroffen worden ist. Außerdem darf die Lebensverkürzung durch die Art und Weise wie sie erfolgt, keine Gefährdung Dritter implizieren. Weder ist daher die Sterbehilfe im Ganzen, noch sind einzelne ihrer Formen oder das Ersuchen um sie per se als unzulässig einzustufen. Vielmehr ist ihre Zulässigkeit daran zu überprüfen, ob jeweils die genannten Bedingungen erfüllt sind bzw. erfüllt werden können oder nicht.

Ungeachtet der unterschiedlichen Grenzen der Selbstbestimmung ist die Achtung der Selbstbestimmung ein zentrales Moment in der gesamten Diskussion zur Sterbehilfe. Zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts kann z.B. eine Patientenverfügung verfasst werden.

Die Frage der Zulässigkeit aktiver Sterbehilfe

Unabhängig von der Frage nach der Zulässigkeit der Selbsttötung stellt sich bei der aktiven Sterbehilfe die Frage nach der Zulässigkeit der Tötung durch Dritte (Fremdtötung). Diskutiert wird, ob das Fremdtötungsverbot als kategorisches Verbot in diesem Zusammenhang Ausnahmen zulässt, welche Gründe es für diese Ausnahmen geben könnte und ob mit ihnen Dammbrüche für eine Erweiterung dieser Ausnahmen zu befürchten sind.

Auch aus moralischer Sicht stellt sich die Frage nach einer Unterscheidbarkeit zwischen aktiver Sterbehilfe und anderen Formen der Sterbehilfe. Von der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer solchen Differenzierung hängt ab, ob aktive Sterbehilfe unbedingt unzulässig sein kann, wenn die anderen Formen der Sterbehilfe zumindest bedingt zulässig sind.

Gegner*innen der unbedingten Unzulässigkeit aktiver Sterbehilfe führen ins Feld, dass eine moralische Unterscheidung zwischen Töten und Sterbenlassen nicht möglich ist, wenn beides aus denselben, nicht selbstsüchtigen Beweggründen geschieht. Denn in beiden Fällen ist der Tod der*des Betroffenen die Folge. Überdies kann ein "langsames" passives Sterbenlassen, zumal wenn es mit nicht behebbaren, unerträglichen Schmerzen verbunden ist, unter Umständen "inhumaner" sein als eine "schnelle" aktive Sterbehilfe (z. B. durch eine bewusste Überdosierung schmerzstillender Mittel).

Befürworter*innen der unbedingten Unzulässigkeit aktiver Sterbehilfe verweisen vor allem darauf, dass mit einer, wenngleich auch bedingten, "Erlaubnis zu töten" - genauer: einer Erlaubnis, Unschuldige, d.h. Menschen jenseits von Notwehrsituationen, zu töten - eine "Relativierung des Fremdtötungsverbots" verbunden ist. Dadurch könnten Missdeutungen und Missbrauch provoziert und so das zwischenmenschliche Vertrauen untergraben werden. Dies ist selbst dann der Fall, wenn die Erlaubnis nur bedingt erteilt wird. Auch meinen sie, dass eine solche "Relativierung des Fremdtötungsverbots" zu einer Abnahme der Tötungshemmung führt. Dies könnte wiederum eine Ausweitung der Praxis aktiver Sterbehilfe auf andere Personenkreise als ursprünglich beabsichtigt nach sich ziehen. Denn auch wenn sich die Zulassung ursprünglich ausschließlich auf Sterbende bezieht, die zum relevanten Zeitpunkt urteils- und äußerungsfähig sind und die ihre Tötung freiverantwortlich verlangen, so könnte sie sich doch ausweiten. Von der Fortentwicklung dieser Zulassung könnten dann sowohl solche Personen betroffen sein, die nicht urteils- und äußerungsfähig sind, als auch schwer kranke, noch nicht sterbende Menschen sowie ältere oder behinderte Menschen ohne entsprechende Willensbekundung. So ist sogar eine Ausweitung denkbar auf (nicht-freiwillige) Sterbehilfe, gegen den Willen der*des Betroffenen - aus "Mitleid" oder "wirtschaftlichen Gründen". Die Vertretenden der unbedingten Unzulässigkeit halten es für unmöglich, diese Dammbruch-Gefahren auszuschließen, weder durch eine noch so gute Ausnahmeregelung noch dadurch, dass man die aktive Sterbehilfe zwar bedingt von der Strafbarkeit ausnimmt, aber an ihrer Widergesetzlichkeit unbedingt festhält - wie es von den Befürwortenden einer partiellen Zulassung der aktiven Sterbehilfe vorgeschlagen wird.

Diskutiert wird darüber hinaus auch über die Frage, ob sich insgesamt mehr Menschen für die aktive Sterbehilfe entscheiden, wenn sie legal ist. Erwartet werden höhere Sterberaten durch die ärztlich assistierte, schmerzfreie Herbeiführung des Todes. Befürchtet wird, dass unter diesen Umständen voreilig Entscheidungen für den Tod getroffen werden, ohne Alternativen zu berücksichtigen, beispielsweise Behandlungen in der Palliativmedizin. Der Nachweis, welcher derartige Erwartungen bestätigen würde, kann derzeit nicht eindeutig erbracht werden. Eine Studie, veröffentlicht im „Lancet“, für die Wissenschaftler*innen der Universitäten Rotterdam und Amsterdam Sterberaten anhand der Sterberegister der Niederlande in den Jahren 1990, 1995, 2001, 2005 und 2010 ausgewertet haben, zeigt, dass die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in den Niederlanden im Jahr 2002 mittelfristig zu keiner signifikanten Änderung der Sterbehilfefälle geführt hat. Der Anteil der durch aktive Sterbehilfe gestorbenen Menschen lag im Jahr 2010 bei weniger als 3% (475 von 6861 Todesfällen), was zwar höher ist als der Anteil von 1,7% im Jahr 2005 (294 von 9965 Todesfällen), aber vergleichbar mit den Jahren 1995 und 2001. Eine 2022 im Ärzteblatt veröffentlichte Studie, die sich mit Entwicklungen in Belgien auseinandersetzt, verzeichnet hingegen einen Anstieg der Ausübung von aktiver Sterbehilfe seit ihrer Legalisierung. Im Jahr 2003 wurden 235 Fälle, 0,2% aller Todesfälle, registriert, 2021 indes waren es 2.699 Fälle, 2,4% aller Todesfälle. 

Ärztliches Fachpersonal in tötender Funktion

Das ärztliche Behandlungsverhältnis und der Wunsch nach Sterbehilfe

Eine Relativierung des Fremdtötungsverbots hat dann gravierende Auswirkungen auf das ärztliche Behandlungsverhältnis ('Arzt-Patienten-Verhältnis'), wenn ärztliches Fachpersonal in den Prozess der Sterbehilfe mit einbezogen wird. Traditionell begegnen die Patient*innen dem ärztlichen Fachpersonal als "heilend" und "helfend". Wirkt die ärztliche Fachkraft bei der aktiven Sterbehilfe handelnd mit, dann wird diese jedoch zur*zum "Tötenden". Genau dies widerspricht aber den grundsätzlichen Zielen ärztlichen Handelns und wird dementsprechend auch seitens der Ärzt*innenschaft kritisch oder gar ablehnend betrachtet. Kritische Positionen finden sich in diesem Kontext auch eng verwoben mit der Debatte um einen Ausbau bzw. einer der Sterbehilfe-Regelung vorrangigen Förderung der Suizidprävention, für die im April 2024 vom BMG eine Nationale Suizidpräventionsstrategie veröffentlicht wurde, die Maßnahmen und Empfehlungen in den Handlungsfeldern Gesundheitskompetenz und Empowerment, psychosoziale Beratung und Unterstützung sowie Vernetzung und Koordination der Suizidprävention vorlegt. In den „Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“ von 2004 bzw. 2011 lautet es demnach: „Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung ist keine ärztliche Aufgabe.“ Stattdessen machen sich die Bundesärztekammer und der Deutsche Ärztetag für mehr Palliativversorgung stark. Als Empfehlung für die palliativmedizinische Versorgung wurde im August 2010 in Berlin eine von der Bundesärztekammer (BÄK), der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) und dem Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) getragene Charta zur Betreuung schwerstkranker Menschen verabschiedet. Diese soll mit ihren fünf Leitsätzen aufzeigen, wie eine Palliativversorgung aussehen muss, die sich nach den Bedürfnissen unheilbar kranker und sterbender Menschen richtet. 2015 wurde aufgrund des weiterhin bestehenden hohen Interesses ein Neudruck vorgelegt, der inhaltlich gleichblieb, allerdings ergänzt wurde um einen Ausblick auf die weitere Umsetzbarkeit. Auch die Gesetzgebung verfolgt den Ansatz der Stärkung der Palliativversorgung: Mit dem „Zweiten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“, welches im Oktober 2012 vollständig in Kraft getreten ist, können Ärztinnen*Ärzte in Deutschland sich bei ihnen in Behandlung befindlichen Personen ein betäubungsmittelhaltiges Schmerzmittel ausnahmsweise überlassen, wenn die Besorgung des Arzneimittels aus der Apotheke nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist, um eine absehbare palliativmedizinische Krisensituation im ambulanten Bereich zu überbrücken. Außerdem wurden mit der 30. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften zudem die Höchstverschreibungsmengen von drei Betäubungsmitteln (Levomethadon, Methadon und Morphin) erhöht.

Die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit ärztlicher Hilfe beim Suizid

Immer wieder zu Diskussionen geführt hat die Frage, ob Ärztinnen*Ärzte Beihilfe zum Suizid leisten dürfen. Dies lässt sich zum Beispiel an der Debatte zur gesetzlichen Regulierung der Suizidbeihilfe in Deutschland veranschaulichen. Der ärztlich assistierte Suizid fällt in den Bereich der Beihilfe zur Selbsttötung. Diese ist in Deutschland kein grundsätzlicher Straftatbestand. Dennoch wurde in Deutschland nach dem Urteil von 26.02.2020 vom Bundesverfassungsgericht, welches die bisherige gesetzliche Regelung in Paragraf 217 für verfassungswidrig erklärte, eine erneute Diskussion um die gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe in Deutschland entfacht.

Eng verbunden ist hiermit auch die Frage, ob Personen, die Suizidhilfe einfordern, einen Anspruch auf staatliche und ärztliche Unterstützung beim Zugang zu entsprechenden Medikamenten erhalten sollten. Die Rechtslage stellt sich seit dem Urteil des BVerfG vom 26. Februar 2020 so dar, dass die Bereitstellung von Medikamenten zur Selbsttötung durch Ärzt*innen oder Sterbehilfe-Vereinigungen als rechtmäßig und nicht strafbar gilt. Dieser Rechtslage sind Kontroversen vorausgegangen, in denen einerseits das Betäubungsmittelgesetz „grundsätzlich“ den Erwerb tödlicher Medikamente verbot. Andererseits wurde unter Zunahme des Selbstbestimmungsrechts in Extremfällen und beim Fehlen palliativmedizinischer Alternativen Ausnahmen für unheilbar kranke Menschen gestattet. Das Selbstbestimmungsrecht ist in diesem Kontext häufig kritisch diskutiert worden, bspw. vom ehemaligen Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio, der sagte: „Die freie individuelle Entscheidung hat in einer Gesellschaft, die den Einzelnen in den Mittelpunkt der Rechtsordnung stellt, ein außergewöhnlich hohes Gewicht, sie umfasst auch das Recht zur Selbsttötung. Personale Selbstbestimmung führt aber nicht zu einem absoluten Geltungsanspruch mit dem Ergebnis einer Pflicht zur Beteiligung des Staates an einer höchstpersönlichen Entscheidung.“ Diese Aussage findet sich in der aktuellen Rechtslage in dem Sinne wieder, als das Verfassungsgericht betont, dass sich aus dem grundlegenden Freiheitsrecht, Hilfe zur Selbsttötung in Anspruch zu nehmen, kein Rechtsanspruch gegenüber Dritten herleitet, solche Hilfe auch tatsächlich zu erhalten, und dass ärztliche Fachpersonen nicht verpflichtet werden können, diese Hilfe anzubieten. Die Hilfe kann daher nur auf freiwilliger Grundlage erfolgen. 

Im Zuge der Debatte zur Regulierung der Beihilfe zur Selbsttötung wurden am 06. Juli 2023 zwei Gesetzesentwürfe für eine Neuregelung der Suizidhilfe im Bundestag vorgelegt, die jedoch jeweils die Mehrheit verfehlten. Zeitgleich wurde mit großer Mehrheit ein Antrag auf den Ausbau der staatlichen Suizidprävention verabschiedet. Er sieht die Erarbeitung eines Gesetzesentwurfs bis 2024 sowie eines Konzepts für einen stärkeren Ausbau von Angeboten zur Suizidprävention und eines bundesweiten Präventionsdienstes vor.

Die Gefahr einer latenten "Entsolidarisierung"

Dammbruch-Überlegungen werden nicht nur gegen eine Zulassung aktiver Sterbehilfe angeführt, sie spielen auch bei der Diskussion der anderen Formen der Sterbehilfe eine Rolle. Formuliert wird vor allem die Sorge, dass eine zu liberale Handhabung der Sterbehilfe-Problematik zu einer Aufkündigung der Solidarität mit kranken, leidenden und sterbenden Menschen führen könnte und vielleicht sogar zu einem Druck auf erkrankte und schwache Menschen, zur "Entlastung" ihrer Mitwelt von der Möglichkeit der Sterbehilfe Gebrauch zu machen.

Solche Erwägungen verpflichten zwar nicht notwendig zu einer unbedingten Ächtung jeder Form von Sterbehilfe, mahnen jedoch dazu Schutzvorkehrungen zu treffen, die entsprechenden Entwicklungen entgegenwirken.

Die Fragen der "Authentizität" des Sterbeverlangens und der Alternativlosigkeit der Sterbehilfe

Wenn ein*e Sterbewillige*r um Sterbehilfe bittet, stellt sich die Frage, ob dieses Verlangen wirklich "authentisch" ist, d.h., ob sie*er dies wirklich will und ob ihr*ihm nicht auf andere Weise geholfen werden kann. Auch hier gibt es unterschiedliche Standpunkte:

Häufig wird darauf verwiesen, dass Sterbende typische Phasen des Sterbens durchlaufen, die mit gravierenden Stimmungswechseln einhergehen können. Verlangt ein*e Sterbende*r in dieser Situation nach Sterbehilfe, ist dies - der entsprechenden Auffassung zufolge - daher oftmals weniger Ausdruck eines stabilen Sterbewunsches, als vielmehr eine "natürliche" und vorübergehende Begleiterscheinung des angebrochenen Sterbeprozesses.

Nicht selten ist auch der Hinweis, dass der Wunsch nach Sterbehilfe seinen Grund vor allem in starken Schmerzen, Verlassenheits- oder Einsamkeitsgefühlen hat, aber auch in Schamgefühlen über die eigene Hilflosigkeit und in den dadurch verursachten Depressionen. Diesen Gründen kann mit einer schmerzlindernden Behandlung und/oder entsprechender menschlicher Zuwendung wirksam begegnet werden - ein Ansatz, den auch die "Hospizbewegung" im Umgang mit Sterbenden verfolgt.

Demgegenüber wird eingewendet, dass menschliche Zuwendung und schmerzlindernde Behandlung sowie - im Falle psychisch kranker Menschen - auch psychotherapeutische Betreuung zwar oftmals zu einer Revision des Sterbewunsches führt, dass es aber auch kranke Menschen gibt, deren schwere körperliche und/oder seelische Leiden nicht durch solche Maßnahmen behebbar sind, weshalb Sterbehilfe - wenn vielleicht auch nur in Ausnahmefällen - möglicherweise doch "alternativlos" ist.

Das Problem der Ermittlung des mutmaßlichen Willens im Falle nicht entscheidungsfähiger Patient*innen

Jedwede Form von Sterbehilfe kann nur dann zulässig sein, wenn sie dem Willen der*des Betroffenen selbst entspricht. Deshalb ist die Sterbehilfe im Falle eines nicht mehr oder - wenn es sich um ein Neugeborenes handelt - noch nicht urteils- und äußerungsunfähigen Person nur dann zulässig, wenn es im Vorfeld möglich ist, ihren mutmaßlichen Willen zu ermitteln. Grundlegend sind bei dieser Ermittlung in einem ersten Schritt die "medizinischen Kriterien", d. h. Diagnose und Prognose.

Darüber hinaus sind als weitere Schritte verschiedene Instrumentarien zur Ermittlung des mutmaßlichen Patient*innenwillens in der Diskussion. Eine Möglichkeit ist eine von der betroffenen Person selbst getroffene Patientenverfügung, in der ebendiese Person, noch urteils- und äußerungsfähig, entsprechende Willensbekundungen formuliert hat. Eine andere Möglichkeit besteht in der Konsultation einer von Betroffenen vorgängig benannten Betreuung oder Vormundsperson, oder aber - wenn eine solche nicht benannt ist - einer oder mehrerer der oder dem Betroffenen nahestehender Personen.

Ob diese Instrumentarien wirklich adäquat sind, wird jedoch kontrovers diskutiert. Skeptiker*innen geben zu bedenken, dass der Zeitraum zwischen der Abfassung einer Patientenverfügung und dem Eintritt des "Ernstfalls" oft sehr lang ist, dass ein gesunder Mensch den "Ernstfall" nicht immer angemessen vorwegnehmen kann und dass man in einer solchen Verfügung auch nicht jeden möglichen Einzelfall voraussehen und entsprechende Anweisungen formulieren kann. Zudem wird in Frage gestellt, ob eine Vertretung der Patientin*des Patienten in Gestalt eines Patientenanwalts oder ein*e nahestehende*r Angehörige*r den Patientenwillen zutreffend einschätzt bzw. einschätzen kann oder ob eine solche Vertretung nicht möglicherweise sogar missbraucht werden kann. Keines dieser Instrumentarien ist daher vorbehaltlos anzuwenden. Eine verlässliche Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens ist bisweilen sogar gar nicht möglich.

Zitiervorschlag

Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (2024): Im Blickpunkt: Sterbehilfe. URL https://www.drze.de/de/forschung-publikationen/im-blickpunkt/sterbehilfe [Zugriffsdatum]

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